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Bongile Mantsai über Empowerment am Schauspielhaus Düsseldorf

Im Rahmen unserer neuen Reihe Stadtgespräche sprechen wir mit Menschen aus der Kunst und Kultur, die einen persönlichen Bezug zu Düsseldorf haben, über ihre Verbindung zur Stadt und werfen gemeinsam einen Blick auf inspirierende, liebgewonnene und gern besuchte Orte in Düsseldorf.

Als Artist in Residence an das Düsseldorfer Schauspielhaus berufen, ist der südafrikanische Schauspieler Bongile Mantsai für ein Jahr zu Gast in der Stadt. Die Spielzeit 2022/2023 eröffnete er in der Rolle des “Othello” in der Inszenierung der südafrikanischen Regisseurin Lara Foot, einer langjährigen Freundin und Kollegin, mit der er auch in seiner Heimat zusammengearbeitet hat. Im Schauspielhaus zu sehen ist eine dekolonialisierte Neuschreibung des über 400 Jahre alten Klassikers “Othello” von Shakespeare, der hier multilingual – in deutsch, englisch und der südafrikanischen Sprache isiXhosha – umgesetzt wird. Darüber hinaus wirkt Bongile Mantsai als Walther Fürst in “Wilhelm Tell” mit.

In Südafrika ist er abseits der Bühne einer der bekanntesten Film- und Fernsehschauspieler; zu sehen ist er unter anderem im kontrovers diskutierten Film “Inxeba – die Wunde”, der auch auf der Berlinale gezeigt wurde.  Als Regisseur und Komponist ist er ebenfalls tätig, organisiert ein Theaterfestival namens Zabalaza Theatre Festival in Kapstadt.

Im Interview mit der Art Düsseldorf spricht er darüber, wie er sich aktiv dafür einsetzt, jungen Menschen Zugang zum Schauspiel zu ermöglichen und ihren Stimmen Gehör zu verschaffen. Lesen Sie hier außerdem, wie seine Zeit in Düsseldorf den Schauspieler persönlich beeinflusst hat und welche Orte der Stadt er am liebsten besucht.

"Othello" im Schauspielhaus Düsseldorf. Foto: Sandra Then

Sie sind als Schauspieler und Artist in Residence für ein Jahr am Schauspielhaus Düsseldorf. Können Sie uns mehr darüber erzählen, was Sie hier machen?

Im Moment spiele ich Othello und bin Teil des Stücks Wilhelm Tell”. Ich wurde vom Schauspielhaus Düsseldorf für „Othello” eingeladen, was mich überrascht hat, da ich nur Englisch spreche und das Stück auf Deutsch aufgeführt wird. Deshalb verstehe ich die anderen Leute, die Deutsch sprechen nicht und muss ihre Körpersprache lesen.

Lara Foot, die Regisseurin von Othello, inszeniert das Stück mehrsprachig, es wird sowohl Deutsch und Englisch als auch isiXhosa gesprochen. Othello erzählt davon, wie die Angst vor dem Anderssein die Liebe zerstört. In der Inszenierung von Lara Foot wird Shakespeares Handlung mit den Kolonialkriegen des 19. und 20. Jahrhunderts verknüpft, wie etwa in der deutschen Kolonie Deutsch-Südwestafrika, dem heutigen Namibia. Durch die mehrsprachige Inszenierung legt die Regisseurin ein Konfliktpotenzial frei. Wie ist es für Sie als Schauspieler, mehrsprachig zu arbeiten?

Eine Sache, über die ich mich freue, ist, dass ich in Othello Xhosa sprechen kann, meine Muttersprache. Ich fühle mich frei und glücklich, dass ich sie hier sprechen kann. Hier sind viele deutsche Schauspieler, und wir verstehen uns irgendwie trotz der unterschiedlichen Sprachen, die wir sprechen – das ist für mich Integration.

Lara Foot und Sie kennen sich schon lange, Sie verbindet eine langjährige künstlerische Freundschaft, was bedeutet Ihnen das?

Es ist wie ein großer Zyklus für mich, denn ich kenne Lara schon seit Jahren. Als ich in Südafrika vom Theater zum Fernsehen wechselte, haben wir uns eine Zeit lang nicht gesehen. Das Fernsehen hat mein Leben verändert; es ist, als wäre ich jemand anderes geworden, ein Prominenter. Das ist kein sehr stabiles Leben. Als Lara mich fragte, ob ich zum Schauspielhaus kommen wolle, fühlte es sich an, als käme ich zu mir zurück. Als ich hierher kam, hat mich das geerdet. Es ist wie eine Art Therapie.

Aber mein Lieblingsort ist das Schauspielhaus, um ganz ehrlich zu sein. Hier kann ich mich ausdrücken; hier kann ich meine Geschichten so erzählen, wie ich sie erzählen möchte, ohne bewertet zu werden.

Sie haben diese Spielzeit mit „Othello” eröffnet und arbeiten nun ein Jahr lang als Artist in Residence am Schauspielhaus. Wie lange bleiben Sie noch in Düsseldorf und fühlen Sie sich hier wohl?

Ja, aktuell habe ich noch drei Monate in Düsseldorf. Es war bisher eine sehr wichtige Zeit der Selbstentwicklung und fühlt sich wie ein Heilungsprozess nach dem Leben als Fernsehstar an. Hier ist es ruhig und eine sichere Umgebung. Ich kann frei herumlaufen oder mit dem Fahrrad fahren, was ich seit Jahren nicht mehr getan habe. Dass ich hier mit Lara arbeiten kann, bedeutet mir sehr viel.

Wo gehst du gerne spazieren oder Rad fahren? Welcher Ort in Düsseldorf hat Ihnen bisher am besten gefallen? Was macht es dort besonders?

Ich wohne in Golzheim, wo ich es sehr gutbürgerlich finde. Ich habe das Privileg, dort in der Nähe des Rheins zu wohnen, und das ist mein Lieblingsort in Düsseldorf. Wir haben hier auf der Arbeit dieses System, bei dem man zwei Wochen aussetzt und dann wieder ein Stück macht. Wenn ich frei habe, gehe ich an den Rhein, setze meine Kopfhörer auf, tue so, als ob ich jemandem zuhöre, und spreche meinen Text – das ist der Ort, an dem ich zur Ruhe komme.
Ich habe auch viel über Heinrich Heine, den deutschen Dichter, gelernt. Ich bin in ein Restaurant in der Nähe des Heine-Museums gegangen. Außerdem habe ich einen Ort namens Ghana Street entdeckt, wo es authentisches afrikanisches Essen gibt. Dieses besondere Essen ist so anders als das Essen hier, und manchmal vermisse ich den Geschmack.
Aber mein Lieblingsort ist das Schauspielhaus, um ganz ehrlich zu sein. Hier kann ich mich ausdrücken; hier kann ich meine Geschichten so erzählen, wie ich sie erzählen möchte, ohne bewertet zu werden. Ich befreie mich an diesem Ort. Wenn ich auf die Bühne gehe, kann ich den Leuten erzählen, was ich erzählen will, ich kann mein Herz öffnen, ich kann verletzlich sein.

Schauspielhaus Düsseldorf. Copyright: ©ingenhoven architects HGEsch

Und die Schauspielerei ist nicht Ihre einzige künstlerische Leidenschaft. Erzählen Sie uns von den anderen Dingen, die Sie hier tun.

Ich gebe Workshops, in denen ich Schauspieler*innen und Teilnehmer*innen helfe. Im ersten ging es darum, verletzlich zu sein. Einer der Teilnehmer machte mich mit einem Ort namens Kabawil bekannt. Das ist ein Theaterraum, in dem ich letzte Woche einen weiteren Workshop gegeben habe. Diesmal ging es um die Themen sich einbezogen und ausgeschlossen fühlen und was uns privilegiert oder unprivilegiert macht. Was mich am meisten faszinierte, war eine junge Frau, die ein Foto von ihrer Hand machte, und als ich sie fragte, was das bedeutet, sagte sie: Es ist die Farbe meiner Haut. Die macht mich privilegiert.
Neben der Schauspielerei führe ich auch Regie, und in Südafrika habe ich zusammen mit Lara ein Festival veranstaltet, weil wir jungen Menschen eine Plattform geben wollten, um ihnen eine Stimme zu geben.

In diesem Jahr zeigt die Art Düsseldorf in unserer neuen Sektion SOLO Projects unter anderem Arbeiten mit einem thematischen Schwerpunkt auf Diversität. Was muss der Kultursektor Ihrer Meinung nach tun, um mehr Diversität zu ermöglichen? Wo sehen Sie derzeit den größten Bedarf?

Ich denke, wir brauchen Räume wie diesen, damit sich junge Menschen öffnen können. Es ist selten, junge Leute im Publikum zu sehen, aber wenn wir über Diversität sprechen, müssen Räume wie dieser diverser sein, nicht nur für ältere Leute oder reiche Leute. Wir sollten auch offen sein für den Austausch von Kulturen sein, so dass ich, wenn ich einen Raum wie diesen betrete, nicht denke: „Ich bin schwarz”. Stattdessen kann ich das Gefühl haben: „Ich bin ein Künstler”.
Ich habe Theaterstücke gesehen, in denen es Diversität gibt, aber ich habe immer noch das Gefühl, dass mir in solchen Räumen die jungen Leute fehlen.
„Othello” zum Beispiel ist in alter Sprache geschrieben, doch an wen richten wir uns damit? Ich sage nicht, dass die Autor*innen die Drehbücher ändern sollten, aber vielleicht sollten sie sie modernisieren, um ein jüngeres Publikum anzusprechen.

Wenn wir über Diversität sprechen, müssen Räume wie dieser diverser sein, nicht nur für ältere Leute oder reiche Leute.

Was sind Ihre zukünftigen Pläne und Projekte für dieses Jahr?

Nun, ich bin noch bis Juli hier. Es ist interessant, dass Sie mich das fragen, denn ich habe mir vor ein paar Tagen den Spielplan angeschaut. Ich habe noch vier Vorstellungen von Othello und vielleicht vier Wilhelm Tell Aufführungen vor dem Sommer, und dann verlagert sich das Programm nach draußen mit Open Air Vorstellungen. Ich weiß nicht, was das Theater für mich geplant hat, aber gleichzeitig vermisse ich meine Heimat. Ich war seit letztem Sommer nicht mehr in Südafrika. Das Komische ist, dass ich mich jetzt in den letzten Monaten meiner Zeit hier in die Stadt verliebt habe. Ich bin wieder zufriedener.

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