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Troika erkundet die Grenzen zwischen Natur und Künstlichkeit

Das zeitgenössische Künstler*innenkollektiv Troika wurde 2003 von Eva Rucki (*1976, Deutschland), Conny Freyer (*1976, Deutschland) und Sebastien Noel (*1977, Frankreich) gegründet und hat sich in der Kunstwelt durch ihre Sichtweise auf moderne Technologie und deren Integration in unser Verständnis von Natur, Mensch und Gesellschaft etabliert.

Wir freuen uns Ihnen ein exklusives Interview des Kollektivs zu präsentieren, in dem die Künstler*innen über ihre Inspiration, Kunst und Pläne für dieses Jahr sprechen.

Troika: Installation view, in a forest of red, green and blue, 2023. Courtesy of max goelitz. Copyright the artists.
Photo: Dirk Tacke.

Sie arbeiten seit über 20 Jahren zusammen. Wie kam es zu der Entscheidung zusammenzuarbeiten, und gibt es einen bestimmten Prozess in Ihrer kreativen Zusammenarbeit?

Aus der anfänglichen projektbezogenen Zusammenarbeit und dem gemeinsamen Interesse, einer komplexen, oft widersprüchlichen Welt einen Sinn zu geben, entwickelte sich organisch eine kontinuierliche Arbeitsweise. Diese konstruktive Auseinandersetzung hat sich im Laufe der Zeit geformt und weiterentwickelt.

Wir interessieren uns dafür, ob und wie eine einzelne Einheit, Ansicht oder Disziplin ein vollständiges Bild der Realität erreichen kann. Dieses Interesse manifestiert sich in der Art und Weise, wie wir als Gruppe arbeiten, und in unserer Arbeit.

Die Medien, die Sie für Ihre Kunstwerke verwenden, sind vielfältig und experimentell. Sie reichen von Gemälden und Skulpturen bis hin zu Filmen, aber auch Algorithmen, 3D-Drucken oder Maschinen. Was interessiert Sie an diesen verschiedenen Medien und was ist die Motivation mit ihnen zu experimentieren?

Die Art und Weise, wie wir Materialien und Prozesse in unserer Arbeit verwenden, könnte man als eine bewusste Umdeutung und Neukonfiguration von Objekten und Prozessen beschreiben, um sie für alternative Interpretationen zu öffnen.

Die Arbeit in einem Kollektiv, dessen Mitglieder unterschiedliche akademische und kulturelle Hintergründe haben, hilft uns, offen für Möglichkeiten zu bleiben, die sich aus Fehlern und Irrtümern ergeben können. Jeder von uns hat eine andere Wahrnehmung und kann sich auf verschiedene Bedeutungsebenen und Möglichkeiten einstellen.

Troika: Studio view, 2024.

Eine Ihrer letzten Ausstellungen war in Zusammenarbeit mit Cécile B. Evans “In a forest of red, green and blue” in der max goelitz Galerie in München. Vor allem Ihre Arbeiten “Forest Filled with Pines and Electronics” vermitteln einen interessanten Eindruck von Ihrer Interpretation von Systemen und davon, wie vom Menschen geschaffene Algorithmen unsere Wahrnehmung der Natur beeinflussen können. Wie würden Sie diese Trennung, aber auch diesen wechselseitigen Austausch von Technik und Natur beschreiben? Was bedeutet Realität in diesem Zusammenhang?

Der Darstellungskanon von Naturlandschaften wurde von der erhabenen Landschaftsmalerei zu einer Lawine von Teleaufnahmen von Naturkatastrophen aktualisiert, wobei die Reflexion durch Distanzierung ersetzt wurde.

Weltweit erfassen eine Milliarde vernetzter Kameras ununterbrochen unsere Realität und erzeugen riesige Datenmengen, die nur von Maschinen verarbeitet werden können. Der ständige Blick der Kameras ist zu einem Prisma geworden, durch das sich die Menschheit von Umweltkatastrophen distanziert. Anstatt zu alarmieren, desensibilisiert die schiere Menge der Bilder und lässt die Realität abstrakt erscheinen.

Die Gemälde mit dem Titel “Forest filled with pines and electronics” zeigen Standbilder aus Aufnahmen von Waldbränden, die von Überwachungskameras aufgezeichnet wurden. Wir haben eine Farbpalette mit sechzehn Rot-, Grün- und Blautönen entwickelt, mit der wir manuell den Aufbau eines digitalen Rohbildes nachahmen und unsere eigene Sensibilität und die des Betrachters auf das maschinelle Sehen kalibrieren.

In Anlehnung an eine Überwachungskamera, die Teil eines Systems zur Verhinderung von Waldbränden war und den aufgezeichneten Flammen zum Opfer fiel, bleiben die Rastersysteme der Gemälde unvollständig; die sorgfältig entwickelte RGB-Palette ist teilweise geschmolzen, um ihre einzelnen Pigmente zu enthüllen.

Troika: Irma Watched Over by Machines, 2021. Courtesy of max goelitz. Copyright the artists.
Photo: Studio Troika.

Sie zeigen in Ihren Werken viele Interferenzen, sei es die Unschärfe zwischen Natur und Algorithmen oder die Kombination aus einer hyperdigitalisierten Welt und unserer tiefen Kulturgeschichte. Was inspiriert Sie dazu, die Auswirkungen von Technologie, Fortschritt und Informationsverarbeitung auf unsere Realität, die Natur und den menschlichen Geist zu untersuchen?

Die Technologie ist eine treibende Kraft bei der Gestaltung der heutigen Gesellschaft. Die digitale Welt beschränkt sich nicht auf den Bildschirm, sondern beeinflusst jeden Aspekt unseres Lebens, von der Art und Weise, wie wir kommunizieren, bis hin zur Art und Weise, wie wir einkaufen und reisen.

Digitale Werkzeuge beeinflussen nicht nur wie wir unsere Umgebung sehen und zu ihr in Beziehung treten, sondern auch wie wir sie gestalten.

Wir interessieren uns für die sich verschiebenden Grenzen zwischen Natur und Künstlichkeit, dem Realen und dem Romantischen, dem Lebendigen und dem Nicht-Lebendigen, uns und den anderen.

Da virtuelle Simulationen der Welt immer lebensechter aussehen, halten wir sie zunehmend für die Welt selbst, wodurch die Welt immer mehr wie die Simulation und die Simulation immer mehr wie die Welt wird.

Sie werden nicht nur auf der Art Düsseldorf 2024 vertreten sein, sondern ab dem 1. Mai auch eine Einzelausstellung im MAK Contemporary in Wien eröffnen. Was können die Besucher*innen von Ihren kommenden Werken und Ausstellungen in diesem Jahr erwarten?

Die für das MAK konzipierte immersive Rauminstallation ‘Terminal Beach’ beschäftigt sich mit vielschichtigen Formen nicht-menschlicher Intelligenz in einer Zeit des Klimawandels.

Unser dauerhaftes lebendes Kunstwerk im Freien ‘Third Nature’ ist eine Landschaft an der Schnittstelle von virtueller und materieller Welt, für die wir 15 Bäume gepflanzt haben, um eine digitale Baumbibliothek zu schaffen. Sie wird diesen Sommer an der Universität Cambridge eingeweiht werden.

Wir freuen uns darauf, zur Eröffnung unserer Einzelausstellung ‘Pink Noise’ in der Langen Foundation am 1. September ins Rheinland zurückzukehren, die von Dehlia Hannah und Nadim Samman kuratiert wird. Die Ausstellung erforscht die durchlässige Grenze zwischen Natur und Technologie und zeigt, wie digitale Systeme unsere Umwelt durch immersive Installationen, Skulpturen, Filme und Malerei darstellen und konstruieren.

 

Das Kollektiv Troika wird bei der Art Düsseldorf 2024 von der max goelitz Galerie repräsentiert.

Troika: Terminal Beach, 2020. Courtesy of Espacio Arte Abierto.
Photo: Studio Troika.

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