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Glückliche Besucher*innen – Einblicke in Felix Krämers Konzepte für den Kunstpalast

Im Rahmen unseres Magazins sprechen wir mit Menschen aus der Kunst- und Kulturszene, die in einer besonderen Beziehung zu Düsseldorf stehen. Neben spannenden Eindrücken und persönlichen Geschichten, zeigen unsere Interviewpartner*innen die Vielschichtigkeit von Düsseldorf und ihrer mannigfaltigen Institutionen auf.

Felix Krämer spricht über die Neugestaltung des Kunstpalastes.
Der Kunstpalast ist ohne Frage ein fester Bestandteil der Düsseldorfer Kunstszene. Bekannt für opulente und medienwirksame Ausstellungen, präsentiert sich das lebendige Haus der Kunst nach umfangreichen Bau- und Renovierungsarbeiten in neuem Licht. Geleitet von dem deutsch-britischen Kunsthistoriker Felix Krämer, gelingt es dem Kunstpalast auf eine eindrucksvolle Weise neue, kreative Impulse zu setzen. In einem exklusiven Interview redet er mit uns über die Neugestaltung der Sammlung, seinen Weg in der Kunst und über eine Ausstellung, in der die Werke ausnahmsweise auch mal angefasst werden dürfen.

Generaldirektor und künstlerischer Leiter der Stiftung Museum Kunstpalast in Düsseldorf, Foto: Andreas Endermann

Der Kunstpalast hat gerade einen großen Umbruch hinter sich. Nach dreijähriger Schließzeit wurde im November vergangenen Jahres die Eröffnung der neuen Sammlungspräsentation gefeiert. Was ist in den drei Jahren passiert? Wie haben Sie diesen Prozess erlebt und wie erleben Sie jetzt den neuen Kunstpalast?

Als ich das Haus 2017 übernommen habe, bestand dringender Sanierungsbedarf. Es musste etwas passieren! Dank großzügiger Unterstützung der Stadt Düsseldorf war es uns möglich, nicht nur hier und da das Nötigste zu renovieren, sondern den über 5.000 m² umfassenden Sammlungsrundgang sowohl räumlich als auch inhaltlich vollkommen neu zu gestalten. Ein großes Geschenk, für das ich überaus dankbar bin. Wir durften den Kunstpalast neu denken und die Vision eines zeitgemäßen, offenen Museums, in dem sich alle Menschen – unabhängig von Alter und kunsthistorischer Vorbildung – wohlfühlen, verwirklichen. Nach umfangreichen Umbau-, Renovierungs- und Modernisierungsarbeiten präsentiert sich die Sammlung des Hauses heute in völlig neuem Licht. Wenn ich nun auf den neuen Kunstpalast blicke und selbst im Rundgang unterwegs bin, kann ich sagen: Die Idee, nicht nur das klassische Museumspublikum anzusprechen, sondern auch Menschen, die bislang kaum oder gar keine Berührungspunkte mit Kunst und Museen hatten, geht auf. Dabei handelt es sich jedoch nicht um einen abgeschlossenen Prozess. Wir müssen in Bewegung bleiben, immer wieder offen sein für neue Vermittlungsformate, uns in unsere Besucherinnen und Besucher hineinversetzen. Wenn – insbesondere jüngeren Menschen – eine App mit AR-Features den Zugang zu Ausstellungen erleichtert, dann sollte es solch eine App, wie wir sie gemeinsam mit unserem Digitalpartner ERGO entwickelt haben, geben. Wenn Kinder gelangweilt durch ein Museum geschleppt werden, weil es keine Angebote für sie gibt, ist vielleicht eine eigene Audiotour, wie wir sie dank einer Kooperation mit Tonies anbieten, ein Lösungsansatz. Museen können Orte der Bildung sein, ein Besuch bei uns darf aber auch einfach Spaß machen!

Einblick in die neuen Sammlungsräume Foto: © Stefan Müller

Die Sammlung des Museum Kunstpalast vereint vielfältige künstlerische Positionen aus mehreren Jahrhunderten – von der Renaissance bis zur Moderne. Sie zeigen einen Rubens neben einer Arbeit des zeitgenössischen ghanaischen Bildhauers El Anatsui. Was hat es mit dieser Gegenüberstellung von Alt und Neu auf sich?

Der neue Sammlungsrundgang ist eigentlich chronologisch aufgebaut und schlägt einen Bogen von der Kunst des Mittelalters über die Sammlungsschwerpunkte des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwartskunst. Der Bronner Saal, in dem Rubens auf El Anatsui trifft, stellt somit eine Ausnahme dar. Während in den anderen Räumen Werke einander gegenübergestellt werden, die zeitgleich entstanden sind – allerdings frei von stilgeschichtlichen Kategorisierungen und unabhängig von ihrer Herkunft – treffen hier alt und neu aufeinander.

Was sind (derzeit) Ihre persönlichen Lieblingswerke der Sammlung?

Das Erdtuch von El Anatsui ist tatsächlich auch eines meiner Lieblingswerke in der aktuellen Präsentation. Die Arbeit steht buchstäblich für eine verwobene Weltgeschichte, die wir auch in unserer Sammlungspräsentation abbilden. El Anatsui macht auf die Verstrickungen zwischen Afrika, Europa und Amerika aufmerksam. Seit dem 16. Jahrhundert betrieben Machthabende der jeweiligen Kontinente Sklavenhandel und die afrikanischen Beteiligten wurden nicht selten mit Alkohol bezahlt. Durch die Wiederverwendung tausender Flaschenverschlüsse verknüpft Anatsui diesen Rückblick in die Geschichte mit Themen der modernen Gesellschaft: Die Arbeit wirft Fragen zu Verbrauch, Handel und Umwelt auf. El Anatsui hat in den letzten Jahren einen kometenhaften Aufstieg erlebt – seine Werke werden aktuell auf der ganzen Welt ausgestellt und wir sind überglücklich, ein frühes Hauptwerk in unserer Sammlung zu haben. Eine solche Arbeit finden Sie auch international in kaum einer anderen öffentlichen Sammlung.

Ein anders Werk, das ich sehr liebe, ist ein Gemälde von Merrill Wagner. Ihr Name sagte mir nichts, als ich vor einigen Jahren in der Konrad Fischer Galerie in Düsseldorf auf das großformatige Gemälde der US-amerikanischen Künstlerin stieß. Wie bei so vielen großartigen Malerinnen ihrer Generation – Wagner wurde 1935 geboren – hat die Kunstgeschichte lange gebraucht, ihre Bedeutung zu erkennen. Umso schöner ist es, nicht nur die Entdeckung zu machen, sondern durch den Ankauf das Werk dauerhaft in unsere Sammlung zu bringen und der Künstlerin eine Bühne zu geben.

Tony Cragg, Migrant, 2015, Bronze, 220 cm x 150 cm x 147 cm, © Tony Cragg / VG Bild-Kunst, Bonn, 2024, Foto: Charles Duprat

Nach Stationen in Hamburg und Frankfurt sind Sie seit 2017 Generaldirektor des Kunstpalasts, ihr Vertrag wurde kürzlich bis 2034 verlängert. Können Sie uns Ihren Weg in die Kunstwelt und Ihre zukünftigen Pläne für den Kunstpalast schildern? Wie wird sich Ihr Museum als fester Bestandteil der Düsseldorfer Kunstszene weiter entwickeln?

Mein Vater war Fotograf, meine Mutter Balletttänzerin. Ganz fremd war mir die Kunstwelt also von Anfang an nicht. Dass mein Weg mich genau dahin geführt hat, wo ich jetzt bin, macht mich sehr glücklich und ich habe am Kunstpalast noch viel vor. Die langfristige Vertragsverlängerung, die ich als wunderbaren Vertrauensbeweis der Stadt in unsere Arbeit sehe, gibt uns den notwendigen Rahmen. Wir werden unserer Linie treu bleiben: Das Programm bleibt auch in den kommenden Jahren bunt und abwechslungsreich. Das Interesse der Besucherinnen und Besucher bestätigt uns auf dem eingeschlagenen Weg. Unser Freundesverein wächst von Monat zu Monat und gibt uns ebenfalls viel Rückhalt. Es ist toll zu beobachten, wie viele Menschen in Düsseldorf und Umgebung sich mit dem Kunstpalast identifizieren und sich auch aktiv einbringen wollen, uns wertvolles Feedback geben.

Neben der neuen Sammlungspräsentation erweckt der Kunstpalast den legendären Düsseldorfer Underground Club “Creamcheese” erneut zum Leben. Auf welche Weise ist jener ehemalige Hotspot der Kunst- und Musikszene im neuen Museum verankert? Wie kam es zu dieser Referenz auf die 60er- und 70er-Jahre?

Nach der Schließung des ursprünglichen Creamcheese erwarb der Kunstpalast 1978 dessen künstlerische Innenausstattung. Diese ist also Teil unserer Sammlung und die Rekonstruktion des Barbereichs mit den originalen damals dort ausgestellten Werken von Günther Uecker, Gerhard Richter, Daniel Spoerri und weiteren Künstlern ist während der regulären Öffnungszeiten innerhalb des Rundgangs zu sehen. Freitags und samstags lädt der Creamcheese-Raum mit Drinks und Musik aus den 1960er und 1970er Jahren darüber hinaus auch zum Verweilen bis in die späten Abendstunden ein.

Eine Besucherin berührt die Skulptur Outspan, Foto: Anne Orthen

Und jetzt eröffnete kürzlich “Tony Cragg. Please Touch!” Im Vergleich zu sonstigen Ausstellungen ist es ungewöhnlich, dass die Besuchenden die Skulpturen unmittelbar anfassen dürfen und sollen. Wie ist die Idee zu dieser Ausstellung entstanden? Gibt es schon erste Reaktionen seitens der Besuchenden auf die neue, körperliche Erfahrbarkeit von Kunst?

Es gibt kaum jemanden, der die Skulpturen von Tony Cragg nicht berühren möchte. Dass dies in einem Museum normalerweise nicht möglich ist, hat gute Gründe: Es ist unsere Aufgabe, Kunstwerke für zukünftige Generationen zu bewahren. Berührung aber hinterlässt Spuren und Schäden durch Abrieb oder chemische Reaktionen. Die in Please touch! gezeigten Skulpturen stammen direkt vom Künstler und werden im Anschluss an die Ausstellung durch Tony Cragg überarbeitet. Nur dank seines außergewöhnlichen Einsatzes ist diese besondere Form der Präsentation möglich. Ausgangspunkt war eine Beobachtung, die ich immer wieder mache, wenn ich Sammlerinnen und Sammler von Craggs Skulpturen besuche: Sie berühren die Arbeiten, während sie sie mir zeigen. Das Konzept dieser Ausstellung ermöglicht eine intensive körperliche Begegnung mit den Werken – ein „Erfassen“ im doppelten Wortsinn. Wahrnehmung durch Berührung ist für uns Menschen zentral und die Reaktionen unserer Besucherinnen und Besucher, die ihren Dank für diese außergewöhnliche Erfahrung beispielsweise in unserem Gästebuch festhalten, uns über die sozialen Medien oder auch durch Briefe wissen lassen, wie begeistert sie sind, bestätigen mich in der Entscheidung für dieses Experiment, auf das sich Tony Cragg und der Kunstpalast hier eingelassen haben. Ich habe noch nie so viele glückliche Menschen in einer Ausstellung gesehen!

 

Verpassen Sie nicht diese einzigartige Gelegenheit, Kunst mit allen Sinnen zu erleben: Die Ausstellung “Tony Cragg. Please Touch!”, die gemeinsam von Tony Cragg und Felix Krämer entwickelt wurde, ermöglicht ein aktives Erleben der Kunstwerke und ist vom 22. Februar bis zum 26. Mai 2024 im Kunstpalast in Düsseldorf zu sehen.

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