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Heinz Breloh: Keine Distanz zwischen Körper und Plastik

„Die Arbeit ist getan, wenn zwischen Körper und Plastik keine Distanz mehr besteht.“ Mit diesen Worten äußerte sich der 1940 in Hilden geborene und 2001 in Köln verstorbene Künstler und Bildhauer Heinz Breloh über seine skulpturalen Werke.

Die Ursprünge seines prozessualen Arbeitens lagen in der Bewegung des Formens und Greifens, des Tastens und Fühlens. Mit kraftvollem Körpereinsatz und dynamischer Inbezugnahme seines Körpers trug der Künstler Schicht um Schicht Gips auf seine gestischen Plastiken auf. Eine Handvoll da, eine Handvoll dort und immer wieder nahm er sich Zeit für das Betrachten seiner Kunst. Er trat zurück, reflektierte. Von Kopf bis Fuß mit Gipsresten bedeckt, nur in Unterwäsche gekleidet, widmete er sich in aktionsreicher Erregung seiner Werkgruppe „Lebensgröße“, deren Entstehungsprozess an eine choreografierte Performance erinnert. „Es ergab sich von alleine, dass die Plastiken aus meiner Bewegung heraus entstehen müssen. […] Zunächst blieben die Bewegungen simpel und elementar: Greifen und etwas sehr einfaches machen,“ sagte der Künstler, dessen eigener Körper als Entstehungswerkzeug Kunst und Leben eindrucksvoll vereint.

Und schon früh erlangt sein einzigartiges Vorgehen Anerkennung: Mit der Documenta-Teilnahme im Jahr 1977 zeigte er seine Werke auf einer der bedeutsamsten Ausstellungsplattformen für Gegenwartskunst. (Video: Heinz Breloh bei der Arbeit an der Lebensgröße Magdeburg im Kunstmuseum Unser Lieben Frauen Magdeburg 1995, Kamera: Manfred Förster © Künstlernachlass Heinz Breloh)

 

Doch Brelohs Oeuvre ist vielschichtig und besticht nicht nur mit skulpturalen Plastiken. Vorausgegangen waren zweieinhalb Jahrzehnte künstlerischer Entwicklung. Nach einem klassischen Studium der Bildhauerei bei Gustav Seitz an der Hochschule für bildende Künste Hamburg und der Erarbeitung geometrischer Abstraktionen bei Fritz Wotruba an der Akademie der bildenden Künste Wien, widmete sich Breloh zunächst einem anderen Medium: Neben Fotografien beschäftigte er sich in den 1970er-Jahren insbesondere mit der Film- und Videokunst.

1980 zeigte Breloh seine Arbeiten im Rahmen einer umfangreichen Werkschau in der Kölner Galerie Zwirner. Dort präsentierte er vor allem seine Photoplastiken, mit fotografischen Erfassungen von Landschaften und mit menschlichen Körpern beklebte Volumen. Zwirner ist maßgeblich daran beteiligt, dass Breloh ein Stipendium der Stadt Köln erhielt, das ihn nach New York, der zu dieser Zeit boomenden Metropole der Kunstwelt, brachte. Dort zeigte er im Rahmen seiner Ausstellung „The Clocktower“ im MoMa PS1, damals bekannt als P.S.1 Contemporary Art Center, seine Kunst auf einer internationalen Bühne. Von diesem Hotspot an Kreativität und Experimentierfreudigkeit inspiriert, entschloss er sich dazu seine konzeptuellen Überlegungen in ein anderes Medium zu übertragen.

Infolge schuf er massige Gipsvolumen, bei denen die plastische Ausdehnung in den Raum zum Dreh- und Angelpunkt für seine künstlerische Praxis wird. Horizontale Schleifspuren, sowie eine profilreiche Oberflächenstruktur zeugen von der Unmittelbarkeit des körperlichen Erlebens im Schaffensprozess. Dabei wird nicht etwa das Dargestellte zum Thema, sondern die Tätigkeit des Bildhauerindividuums Heinz Breloh selbst. Für ihn gilt: „Die Arbeit ist getan, wenn zwischen Körper und Plastik keine Distanz mehr besteht.“ Mit seinem unikalen Vorgehen erlangte Breloh bereits zu Lebzeiten Anerkennung.

Heinz Breloh in den 1990er Jahren, Fotograf unbekannt

Auch seine Keramikarbeiten zeugen von einer körperlichen Präsenz, die trotz der Titel, wie „Die Badenden Bildhauer“ (Kolumba, Köln) oder „Rendevous der Bildhauer II“ (Lehmbruck-Museum, Duisburg) von einer figürlichen Darstellungsweise Abstand nehmen. Komplexe Formen und amorphe Massen verleihen diesen Werkreihen aus Keramik ein energetisches Potenzial, das sich bewusst mit Bewegungsprozessen auseinandersetzt. „Der Fahnenschwenker als Bildhauer“ und „Der Friseur als Bildhauer“ veranschaulichen, dass jegliche menschliche Handlung einem skulpturalen Potenzial entspricht.

Ganz im Sinne der „Lebensgröße“ vereint Breloh Körper und Kunst durch die in das Material eindringenden Finger, die sich als Abdrücke auf der perforierten Oberfläche manifestieren. Besonders in seinen späteren Arbeiten ergänzt er die Verarbeitung von Ton mit sinnlichen Glasuren. Gleichwohl spricht der Künstler alle Reize seiner Rezipient*innen an: Analysierende Blicke treffen auf taktile Stimuli, sprechen Sehen und Fühlen an. Brelohs Licht-und Farbempfinden wird ergänzt von seinem sensuellen Verhältnis zum Material der Plastiken.

o. T. (Die Alleinigen), 1997, glasierte Terrakotta, 32 x 28 x 33 cm, Foto: Andreas Zimmermann

In seinem Spätwerk drückt sich vor allem Brelohs Interesse an der Geschichte der Skulptur aus. Er beginnt immer freier über vorausgegangene Techniken der Gestaltung zu reflektieren. Im Gegensatz zu früheren Kunstwerken, in denen er sich von mimetischen Formen vollkommen distanzierte, finden sich gegen Ende seines Lebens vermehrt figürlich anmutende Darstellungsformen wieder.

Korrespondierend zu seinen Skulpturen, arbeitete Breloh ebenfalls auf Papier. Er übermalt Fotografien von Skulpturen mit kraftvollen Pinselstrichen und Kreidestiften. Die zeichnerische Überarbeitung greift bereits bestehende Strukturen auf und erweitert diese, bis ihre Silhouetten denen seiner Plastiken gleichen. Seine Papierarbeiten entwickeln hierbei über die Funktion einer Kompositionsvorlage hinaus eine neoexpressive Eigendynamik.

Heinz Breloh: Planung für seine Ausstellung in der Galerie Rudolf Zwirner, Köln, um 1980. Künstlernachlass Heinz Breloh.

Mit dem Tod seiner Witwe, der Fotokünstlerin Krimhild Becker im Jahre 2010, wurde die gesamte Verantwortung des künstlerischen Nachlasses von Heinz Breloh in die Hände der Erbengemeinschaft Heinz Breloh, bestehend aus seinen vier Brüdern, gelegt. Der Künstlernachlass Heinz Breloh hat es sich zur Aufgabe erklärt den virtuosen Arbeiten des verstorbenen Künstlers Heinz Breloh posthume Sichtbarkeit in Ausstellungen, Publikationen und wissenschaftlichen Diskursen zu ermöglichen.

Er hinterließ ein mannigfaltiges Oeuvre, mit dem er ein in vielerlei Hinsicht neues Kunstverständnis in der Bildhauerei propagierte. Mit seinem Verständnis von skulpturaler Körperkunst und der Nähe zwischen Subjekt und Objekt, zwischen Künstlerkörper und Medium war Breloh seiner Zeit voraus. Heute sind seine Werke in zahlreichen international renommierten Sammlungen vertreten, unter anderem dem Museum Ludwig, Köln, Museum Kolumba, Köln, Museum Schloss Morsbroich, Leverkusen und der Staatlichen Graphischen Sammlung, München.

Mehr zum Heinz Breloh Künstlernachlass können Sie hier erfahren.

 

Verfasst von Jakob Stötzel

Exhibition View Galerie Thomas Rehbein 2020, Foto: Simon Vogel

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