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Tschüß und Hallo – Interview mit Alicia Holthausen

In unserem Magazin führen wir Gespräche mit Menschen aus der Kunst- und Kulturszene, die einen besonderen Bezug zu Düsseldorf haben. Mit spannenden Einblicken und persönlichen Geschichten zeigen unsere Interviewpartner die Vielschichtigkeit der Stadt und den Reichtum ihrer Institutionen.

Alicia Holthausen, die neue künstlerische Interimsdirektorin der Kunsthalle Düsseldorf, spricht mit uns über das Museum. Die Kunsthalle wurde 1967 erbaut und ihre brutalistische Architektur wird ab 2026 für etwa 2 Jahre erneuert. „1 Kunsthalle, 2 Jahre Renovierung, 50 Stadtteile, 100 Künstler“ – unter diesem Motto will die Kunsthalle während der Renovierung weiterhin zeitgenössische Kunst in ganz Düsseldorf präsentieren. Lesen Sie mehr über die Kunsthalle, ihre Pläne für die Zukunft und ihre Stellung in der Düsseldorfer Kunstlandschaft – Alicia Holthausen beantwortet unsere Fragen.

Portrait Alicia Holthausen. Photo: Katja Illner.

Sie sind seit 2020 Teil des kuratorischen Teams der Kunsthalle Düsseldorf und haben nun kommissarisch die Künstlerische Leitung in Nachfolge von Gregor Jansen übernommen. Was hat Sie ursprünglich zur kuratorischen Arbeit gebracht, und was hat Sie auf dem Weg bis zur Künstlerischen Leitung besonders geprägt?

Ich wollte immer gerne Kultur machen und einerseits Künstler*innen ermöglichen, ihre Ideen umzusetzen und andererseits Besucher*innen ermöglichen, daran teilzuhaben. Direkt nach dem Abitur habe ich angefangen beim Open Source Festival hier in Düsseldorf zu arbeiten, ein Kulturfestival, das auch übers Jahr viele Veranstaltungen organisiert hat – Ausstellungen, Konzerte, Artist in Residence-Programme und auch einen eigenen Congress. Zudem habe ich Kunstgeschichte studiert. Seit 2020 bin ich an der Kunsthalle Düsseldorf für Kuration und Ausstellungsrealisation zuständig, seit letztem Jahr zudem als Stellvertretende Künstlerische Leiterin und seit Januar dieses Jahres als Kommissarische Künstlerische Leiterin. Besonders geprägt haben mich dabei immer die Menschen, mit denen ich zusammengearbeitet habe und denen ich begegnen durfte.

 

Sie haben unter anderem Ausstellungen wie Die unhintergehbare Verflechtung aller Leben (2023) oder Sheila Hicks (2024) kuratiert. Gibt es eine Ausstellung, die Ihnen besonders am Herzen liegt? Warum?

Es ist schwierig ein Projekt auszuwählen, das mir besonders am Herzen liegt, aber Journey Through A Body war eine tolle Erfahrung und ein wichtiges Thema: eine Ausstellung, in der wir Körperwahrnehmungen im Kontext von Geschlechtsidentitäten und Selbstidentifikation untersucht haben und neben einer tollen Ausstellung auch ein sehr interessantes Veranstaltungsprogramm über einen Open Call und eine sehr ungewöhnliche Publikation realisiert haben.

 

Wie sieht das Ausstellungsprogramm 2025 in der Kunsthalle aus? Was können Besucher*innen der Art Düsseldorf im April 2025 (10.-13.) erwarten, wenn Sie die Kunsthalle besuchen möchten?

2025 steht für uns unter dem Motto „Abschied von der Kunsthalle“, da das brutalistische Gebäude von 1967 ab nächstem Jahr für bis zu drei Jahre geschlossen und saniert wird.

Unsere nächste Ausstellung, die am 14. März eröffnet, entsteht gemeinsam mit dem VdDK, dem Verein der Düsseldorfer Künstler, der 1844 gegründet wurde und damit zu den ältesten Künstler*innenvereinen weltweit zählt, die noch aktiv sind. Zum 181. Geburtstages des Vereins, haben wir alle Mitglieder eingeladen teilzunehmen und 223 von 300 Mitgliedern werden nun tatsächlich mitmachen! Für die Besucher*innen der Art Düsseldorf gibt es also die Möglichkeit einen wunderbaren Überblick über die Düsseldorfer Künstler*innenlandschaft zu gewinnen. Wer später im Jahr vorbeikommen möchte, kann bei der 13-wöchigen Ausstellung IM KINOSAAL (7. Juni bis 7. September) jede Woche ein anderes audiovisuelles Projekt in unserem größten Ausstellungsraum sehen, anknüpfend an die reiche Musik- und Soundgeschichte Düsseldorfs. Zeitgleich die Gewinnerinnen des diesjährigen Bernd-und-Hilla-Becher-Preises der Stadt Düsseldorf: Ursula Schulz-Dornburg und Farah Al Qasimi. Danach folgt vom 19. bis 21. September unsere Kunstbuchmesse Between Books und ab 11. Oktober dann unsere letzte Ausstellung vor der Sanierung, in der wir uns fragen: Wohin? und in die Zukunft der Kunsthalle, aber auch die Zukunft von Städten und Gesellschaften allgemein schauen und dazu Kreative aus unterschiedlichsten Bereichen einladen, ihre Zukunftsvisionen für unser gemeinsames Zusammenleben mit uns zu teilen.

Kunsthalle Düsseldorf. Photo: Achim Kukulies.

2026 wird die Kunsthalle saniert. Können Sie uns schon genaueres erzählen? Gibt es bereits konkrete Ideen für die Kunsthalle Düsseldorf?

Unser Programm läuft noch bis Januar 2026, dann ziehen wir aus dem Gebäude aus, sodass im April 2026 die bis zu dreijährige Sanierung beginnen kann. Es handelt sich um eine energetische Sanierung, da das Gebäude einen Großteil seiner Energie durch die Fassade verliert, die, wie alles hinter den Wänden, noch aus den 1960er-Jahren stammt. Zudem geht es um die Herstellung von Barrierefreiheit, die aktuell in großen Teilen des Gebäudes überhaupt nicht gegeben ist. Das Gebäude wurde gerade unter Denkmalschutz gestellt, sodass das brutalistische Äußere erhalten bleiben wird, die Kunsthalle wird nach der Sanierung noch größtenteils genauso aussehen.

Wir werden in den drei Jahren dann zur nomadisierenden Kunsthalle und möchten alle 50 Stadtteile Düsseldorfs besuchen, mit Ausstellungen und Veranstaltungen, zu Gast in anderen Institutionen, Off-Spaces, Leerständen und im Öffentlichen Raum.

 

Vor der Sanierung 2026 laden Sie mit der Reihe „Tschüss – Hallo“ ein, sich an Überlegungen über die Zukunft von Kulturbauten zu beteiligen. Wie ist dieses Format entstanden? Und was wäre Ihnen persönlich bei Kulturbauten der Zukunft wichtig?

Wir haben das Format „Tschüss – Hallo“ konzipiert, weil wir unsere Besucher*innen gerne in die Zukunftsgestaltung der Kunsthalle Düsseldorf einbinden wollten. Wir haben im Oktober letzten Jahres deshalb begonnen, nach den Wünschen der Besucher*innen für die Kunsthalle der Zukunft zu fragen. Begleitet wird dies von einer Veranstaltungsreihe, in der wir in Gesprächen, Workshops und künstlerischen Interventionen in einen Austausch kommen möchten. Die nächste Veranstaltung in der Reihe findet am 6. März statt: Ein Abend mit dem Künstler Jan Kamensky, der utopische Animationen erstellt, in denen er urbane (und oft vielbefahrene) Orte in lebenswerte Zukunftsräume verwandelt.

Mir persönlich ist bei Kulturbauten der Zukunft wichtig, dass wir weiterhin daran arbeiten, uns zu öffnen. Das ist ein Thema, was Institutionen weltweit gerade enorm beschäftigt. Wegzukommen von dem Elfenbeinturm, in dem die Kunstwelt sich häufig wiederfindet und mehr ein Ort für Alle zu sein. Daran können wir sowohl räumlich als auch inhaltlich arbeiten.

Installation View: SHEILA HICKS, Kunsthalle Düsseldorf 2024
© VG Bild-Kunst, Bonn 2024. Photo: Katja Illner

Welche Herausforderungen sehen Sie aktuell für Institutionen wie die Kunsthalle Düsseldorf in der Vermittlung zeitgenössischer Kunst?

Zeitgenössische Kunst hat das Problem sich einerseits überhaupt als Kunst behaupten zu müssen und andererseits gleichzeitig in einem verrückt gewordenen Kunstmarkt zu Millionenpreisen verkauft zu werden. Das ist ein interessantes Spannungsfeld, wenn einerseits Leute nicht nachvollziehen können, warum eine an die Wand geklebte Banane überhaupt Kunst sein soll und sie andererseits für 6,2 Millionen Dollar versteigert wird und dann vom Käufer sogar auch noch gegessen wird. Daher wollen wir als Institution versuchen solche Phänomene einzuordnen und den Besucher*innen trotzdem eine emotionale Verbindung zur zeitgenössischen Kunst zu vermitteln. Die Frage „Was löst das Kunstwerk in dir aus?“, ist eine sehr zentrale Frage in unserer täglichen Arbeit, die auch nicht immer positiv beantwortet werden muss, im Gegenteil, auch negative Reaktionen sind ja sehr spannend für den Diskurs. Emotionen und persönliche Herangehensweisen sind sowieso häufig ein gewinnbringenderer Einstieg in das Gespräch über Kunst als trockene Zahlen und Fakten.

 

Sie haben 2023 die Between Books – Kunsthalle Düsseldorf Art Book Fair initiiert. Was hat Sie dazu inspiriert, eine Plattform für Kunstbücher und alternative Publikationsformen zu schaffen? Wird das Format weitergeführt werden?

Ich beobachte in meinem Umfeld viele Personen, die sich mit Künstler*innenbüchern beschäftigen und war in den letzten zehn Jahren immer wieder auf Kunstbuchmessen zu Gast, die ich immer als einen wahnsinnig spannenden und dynamischen Ort wahrgenommen habe. Die Aussteller*innen sind immer mit viel Herzblut für ihre Publikationen dabei und im stundenlangen Austausch mit den Besucher*innen über ungewöhnliche und innovative Arten zu publizieren. Da es hier im Rheinland keine Kunstbuchmesse (mehr) gab, haben wir uns 2023 überlegt, diese Lücke zu schließen und schnell gemerkt, dass wir da wirklich einen Nerv getroffen haben. Bereits bei der ersten Ausgabe haben wir deutlich mehr Bewerbungen erhalten als wir Stände zur Verfügung hatten und rund 4.500 Besucher*innen in 3,5 Tagen, eine tolle Resonanz! Dieses Jahr wird nun bereits die dritte Ausgabe von Between Books stattfinden, wieder mit rund 80 Aussteller*innen und 20 Veranstaltungen von Talks, über Workshops zu Performances.

 

Welchen Kunst-Ort in Düsseldorf legen Sie unseren Leser*innen besonders ans Herz? Was kann man dort entdecken? Und welchen Ort in Düsseldorf zeigen Sie Gästen aus anderen Städten am liebsten, wenn Sie Besuch haben?

Düsseldorf hat eine so große Auswahl an Kunst- und Kulturorten wie kaum eine Stadt ähnlicher Größenordnung, daher ist es schwer, da eine Auswahl zu treffen. Abgesehen von den größeren Häusern, die natürlich alle ein tolles und sehenswertes Programm machen, würde ich die zahlreichen Off-Spaces empfehlen, wie z.B. BLOOM oder AURA, beide auf der Birkenstraße in Flingern. Die Julia Stoschek Foundation in Oberkassel, spezialisiert auf zeitbasierte Kunst, ist auf jeden Fall einen Besuch wert und wenn man etwas mehr Zeit hat, sollte man zur Insel Hombroich in Neuss rausfahren; die wunderschöne Natur in Kombination mit den großartigen Bauten von Erwin Heerich und der zeitgenössischen Kunst dort ist einfach einmalig.

Düsseldorf hat eine sehr reiche Kunstgeschichte. Wie schätzen Sie die Situation für junge Künstler*innen, Kurator*innen und Kunstschaffende heute ein? Ist Düsseldorf weiterhin ein Ort, der junge Menschen inspiriert? / Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Kunstszene in Düsseldorf – und darüber hinaus?

Düsseldorf ist schon immer ein wichtiger Ort für die Kunstszene gewesen. Ich höre nicht selten von internationalen Gästen, dass sie als einzigen Fakt über Düsseldorf wissen: „The art scene is fantastic“ (als zweiten Fakt habe ich letztens gehört: „and the women wear too much jewellery“, worüber ich sehr lachen musste). Die Düsseldorfer Kunstakademie ist nach wie vor hochkarätig besetzt und hat gerade erst wieder einige neue, junge Professor*innen berufen, die nochmal einen ganz anderen Fokus für die Studierenden mitbringen. Wir haben hier zudem eine wirklich vielfältige Museen-, Galerien- und Off Space-Landschaft, die es ermöglicht jede Woche irgendwo eine Eröffnung zu besuchen und sehr viel Kunst zu sehen. Auch die Ateliersituation hat sich, meines Wissens, etwas entspannt und auch jüngere Künstler*innen können bezahlbare Räume finden. Für die Zukunft der (Düsseldorfer) Kunstszene wünsche ich mir Offenheit für Neues, Experimentierfreude und Spaß an der Arbeit, aber auch weiterhin den Mut sich für eine offene und diverse Gesellschaft einzusetzen.

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